Soziologie – und was macht man dann damit? Diese Frage konnte Lena Weber nicht mehr hören. Sie hat den Blog MehralsTaxifahren.de ins Leben gerufen. Hier stellt die 31-Jährige Soziolog:innen in verschiedenen Branchen vor – und sieht das Thema Karriere nun selbst viel entspannter.
Sie haben eine Ehrenrettung für Ihr Fach gestartet und zeigen mit Ihrem Blog, welche Berufsmöglichkeiten das Soziologiestudium bietet. Warum war es nötig, darauf hinzuweisen?
Lena Weber: Ehrenrettung ist vielleicht übertrieben. Ich glaube, dass Soziologinnen und Soziologen in vielen Branchen durchaus begehrte Arbeitskräfte sind. Und ein ehrenvolles Fach ist es auf jeden Fall. Leider gibt es aber auch immer noch Stimmen, die die Soziologie nicht als Wissenschaft sehen wollen. Ich selbst wurde zu Beginn meines Studiums häufig gefragt, was ich denn damit mal machen wolle – außer eben Burger braten oder Taxi fahren. Als ich dann selbst nach Berufswegen für mich gesucht habe und immer häufiger mit diesen Vorurteilen konfrontiert wurde, hatte ich die Idee für die Webseite. Ich wollte allen Soziologinnen und Soziologen Mut machen und zeigen, wie vielfältig unsere Disziplin ist.
Sie haben für Ihren Blog rund 40 Interviews über die Berufswege von Soziologinnen und Soziologen geführt. Welche Karrierewege Ihrer Gesprächspartner haben Sie überrascht?
Da fällt mir sofort das Interview mit Ivonne Fischer ein, einer Soziologin, die ein Theater für Kinder gegründet hat und damit Wissen vermitteln möchte. Natürlich hat sie nicht bewusst Soziologie studiert, um Puppenspielerin zu werden, aber heute hilft ihr das Wissen aus dem Studium zum Beispiel bei der Teamführung, der Organisation und dem schnellen Erschließen von neuen Themen. Etwas allgemeiner gesprochen haben mich die vielen Berater in meiner kleinen Stichprobe überrascht. Beispielsweise gibt es da einen Social-Media-Berater, einen Knowledge-Manager, eine Sprach- und Kulturberaterin oder eine Schreibberaterin. Diese Menschen haben alle eine Nische für sich gefunden und zu ihrem Job gemacht.
Eine Motivation für Ihren Blog war, dass Sie auch für sich selbst nach beruflicher Inspiration gesucht haben. Hat es Ihnen also geholfen?
Ja! Ich habe durch das Projekt zwar keinen konkreten Job gefunden, aber ich blicke nun viel entspannter auf meine berufliche Zukunft. Für mich bedeutet das beispielsweise, dass ich mich nicht lebenslang auf eine einzige, klar definierte Tätigkeit festlegen muss. MehrAlsTaxifahren.de hat meine persönlichen Vorstellungen von Karriere entkrampft. Solange ich Geld verdiene und Spaß dabei habe, ist das genau richtig. Ich habe nicht mehr den Anspruch, die klassische Karriereleiter in einem Unternehmen oder an einer Universität zu erklimmen. Die Gespräche haben mir gezeigt, dass man sich auch öfter mal neu erfinden kann. Vor der Geburt meiner Tochter habe ich freiberuflich und während einer mehrjährigen Weltreise als Web-Designerin, Datenanalystin und Umfrageberaterin gearbeitet. Ich habe einfach ausprobiert, welche Arbeiten ich machen mag und ob es dafür einen Markt gibt.
Dies ist ein Auszug des Interviews, das im Juli 2020 im Magazin WILA Arbeitsmarkt erschienen ist.
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